IBBENBÜREN. Sie möchte anonym bleiben. Zu groß ist die Angst der jungen Frau vor ihrem Ex-Freund. Die 17 Jahre alte Frau musste bei ihm viel durchmachen. Dann wagte sie einen Neustart in der Einrichtung für Mütter / Väter und ihre Kinder des LWl in Ibbenbüren. Heute steht sie auf eigenen Beinen und berichtet über ihre Erfahrungen.
Als die heute 17-Jährige, nennen wir sie Melanie, mit 15 Jahren schwanger wurde, änderte sich alles. Sie entschied sich für das Kind, zum Missfallen ihrer Eltern: "Die Familie meiner Mutter war nicht begeistert, aber sie unterstützen mich heute noch." Ganz im Gegensatz zu ihren Verwandten väterlicherseits. "Ich habe nur hin und wieder Kontakt zu meinen Großeltern. Der Rest will mit mir nichts zu tun haben", sagt sie bitter.
Zu der Zeit lebt die Jugendliche bereits bei ihrem Freund. Der Mann aus dem ehemaligen Jugoslawien wurde aber handgreiflich. Zudem unterdrückte er die junge Frau. "Ich durfte gar nichts mehr machen, auch nicht ins Kino gehen", erinnert sich die 17-Jährige.
"Es war gut zu wissen, man kann fragen, wenn man fragen will."
Melanie über ihre Zeit in der Einrichtung für Mütter / Väter und ihre Kinder des LWL in Ibbenbüren.
Melanie wagte die Flucht nach vorn, brach den Kontakt zum Kindesvater ab und zog nach Ibbenbüren. In der Einrichtung des LWL-Jugendheims Tecklenburg fand sie ein neues Zuhause, auch wenn ihr der Gang zum Heim nicht leicht fiel: "Am Anfang lebte ich sehr zurückgezogen, wegen der ganzen Vorgeschichte war ich sehr misstrauisch geworden" Als ihr Sohn Lars (Name geändert) dann vor eineinhalb Jahren zur Welt kam, war sie für die Unterstützung der vielen Helfer dankbar. "Die ganzen Regeln kannte ich von zu Hause nicht, das musste ich neu lernen. Aber es war gut zu wissen, man kann fragen , wenn man fragen will."
Etwa zwei Jahre lebte Melanie im Heim. In der Einrichtung lernte sie, den Tag zu strukturieren, mit ihrem Kind zu leben - und wieder sie selbst zu sein. "Ich habe unter den Bewohnern eine gute Freundin kennengelernt. Unsere Kinder sind im selben Alter", sagt sie und lächelt. Zu der jungen Frau habe sie weiterhin Kontakt.
Seit August vergangenen Jahres holt Melanie nun ihren Hauptschulabschluss nach, diesen Sommer möchte sie ihren Abschluss machen. Danach soll der Realschulabschluss folgen. Ihr Berufsziel: Hotelfachfrau werden. Während sie die Schulbank drückt, passte eine Tagesmutter auf Lars auf. Anfang Juni ging dann ein lang ersehnter Traum der jungen Mutter in Erfüllung: Die erste eigene Wohnung. "Ich hatte Glück und eine Wohnung mit geringen Nebenkosten gefunden".
"Ich habe nur hin und wieder Kontakt zu meinen Großeltern. Der Rest will mit mir nichts zu tun haben."
Melanie über ihre Verwandten väterlicherseits.
Mit ihrem eigenen Kindergeld und dem von Lars hält sie sich über Wasser. Durch den Tod ihres Vaters erhält sie zudem Halbwaisenrente. "Davon leben wir. Es ist nicht viel, aber es reicht", sagt Melanie. Sparsam zu leben habe sie im Jugendheim gelernt.
Zudem greift ihr die Mutter unter die Arme bezahlt Wasser und Strom. Das Verhältnis der beiden Frauen zueinander habe sich deutlich verbessert, sagt Melanie erleichtert: "Meine Mutter wollte auch ihr eigenes Leben leben, der Abstand hat uns sehr geholfen". Auch Melanie hofft, künftig ihren eigenen Weg zu gehen. Die ersten Schritte dafür sind jedenfalls getan.
Das Leben im Ibbenbürener Heim
Acht Frauen und ihre Kinder leben zurzeit in der Einrichtung, die es seit 2006 gibt. Sie werden von einem 15-köpfigen Team, darunter Sozialpädagogen, Kinderkrankenschwestern und Psychologen, rund um die Uhr betreut. Die jungen Mütter leben in Zwei-Personen-Appartements. Für Familien stehen Einzelappartements zur Verfügung. Die jungen Eltern sollen lernen, den Alltag alleine zu bewältigen und mit ihrem Nachwuchs zu leben. Etwa 60 Prozent der Bewohner schaffen im Anschluss den Schritt in die Selbständigkeit. Im Rest der Fälle kann es dann zu einer Trennung von Mutter und Kind kommen.
IVZ 07.07.2011 von Daniel Lüns