Arbeitsweise
Die Kinder, die in unserer Gruppe leben, haben in der Regel eine Fülle traumatischer Erfahrungen durchlebt. Neben Misshandlung, Missbrauch und Deprivationserfahrungen können diese auch durch das Fehlen jeglicher Orientierung und Struktur geprägt sein.
Die Familien sind häufig geformt von Misstrauen, Stigmatisierung und Frustration. Die Intensiv Kinderwohngruppe möchte gemeinsam mit den Kindern, ihren Familien oder den (zukünftigen) Pflegefamilien realistische Perspektiven und konkrete Handlungsalternativen erarbeiten und umsetzten.
Uns ist bewusst, dass die Unterbringung in der Wohngruppe einen weiteren Risikofaktor in der Biographie des Kindes darstellt. Umso wichtiger erscheint es, dem Kind ein reflektiertes authentisches Beziehungsangebot zu bieten. Inhalte sowie Ziele der Maßnahme müssen dem Kind zu jedem Zeitpunkt transparent sein.
Aufgrund des expliziten Auftrages beschränken sich die Interventionsebenen nicht auf Verhaltensmerkmale der Familie und des Kindes sondern beziehen sich auf
- Intrapsychische Prozesse (Wahrnehmung, Motivation, Bewertung)
- Zentrale, dyadische Beziehungen
- Familien, Pflegestelle und deren Systematik
- Netzwerke
- Sozialraum
Wir bemühen uns die uns anvertrauten Kinder möglichst umfangreich pädagogisch zu fördern. Dies beinhaltet Angebote bezogen auf die emotionale, kognitive und physische Förderung. Darüber hinaus erstreben wir eine Entwicklung der Lebenstüchtigkeit.
Die Intensiv Kinderwohngruppe Steinfurt begreift sich als zeitlich befristeten, entwicklungsorientierten Lebensort, mit dem Auftrag anstehende und/ oder in der Vergangenheit nur unzureichend vollzogene Entwicklungsschritte erfolgreich zu bewältigen bez. eine Nachreifung zu initiieren.
Die Wohngruppe möchte gemeinsam mit den Kindern, ihren Familien und/oder (zukünftigen) Pflegefamilien realistische Perspektiven und konkrete Handlungsalternativen erarbeiten und umsetzten. Eine stationäre Unterbringung nach § 34 SGB VIII soll dabei als dauerhafte Lebensperspektive möglichst vermieden werden.
Um diese Ziele zu erreichen
- bieten wir den Kindern einen strukturierten, sicheren und entwicklungsanregenden Alltag in der Gruppe;
- fördern wir die Kinder individuell, unter Einbeziehung externer therapeutischer bzw. entwicklungsfördernder Angebote;
- arbeiten wir intensiv mit den Herkunftseltern im Rahmen begleiteter Kontakte, Elterngespräche bis hin zu einer schrittweise begleiteten Reintegration;
- bereiten wir potentielle Pflegefamilien sorgfältig auf das Leben mit entwicklungsgestörten und traumatisierten Kindern vor.
Sowohl die intensive Förderung einzelner Kinder, die in der Regel erhebliche Entwicklungs- und Verhaltensstörungen sowie Traumatisierungen mitbringen, als auch die intensive Elternarbeit, für die gesonderte personelle und zeitliche Ressourcen zur Verfügung stehen, erfordern ein intensiv betreutes Setting. Bisherige Erfahrungen zeigen im Ergebnis eine sehr hohe Quote erfolgreicher Reintegration oder Pflegevermittlungen.
Von Beginn der Unterbringung an sind wir bemüht der individuellen Entwicklung und Förderung durch ein alltagszentriertes Kompetenztraining Vorschub zu leisten. Hier steht das Kind mit seinen realistischen Möglichkeiten und Bedürfnissen im Vordergrund. Wichtig ist es uns, Veränderungsmöglichkeiten erfahrbar zu machen und zeitnah Erfolgserlebnisse aufzuzeigen. Durch die Initiierung von Basiskompetenzen und dem individuellen Kompetenzzuwachs möchten wir erreichen, dass die Motivation aller Beteiligten erhalten bleibt.
Der Alltag wird gemeinsam gestaltet und orientiert sich an einer überschaubaren Tagesstruktur, in die neben Versorgung, Freizeit und Schule auch individuelle Trainingseinheiten des Kindes und der
Familie integriert werden. Neben physiologischen und Bedürfnissen nach Sicherheit und Kontakt haben wir die positive Zuwendung und das persönliche Wachstum im Auge.
In diesen Ansprüchen eingebettet liegen Schwerpunkte wie gesunde, abwechslungsreiche Ernährung mit Nahrungsangeboten von regionalen Produzenten, Bewegungsförderung mit Turnhallenangeboten, Heilpädagogisches Voltigieren, Fahrradfahren, Schwimmkurse, Anbindungen an Sportvereine. Darin liegt weiterhin die individuelle Förderung des Kindes mit persönlichen Gestaltungsmöglichkeiten, z.B. des Zimmers, Unterstützung bei den Hausaufgaben, kompetenter Austausch mit externen Förderangeboten und Institutionen, wie Logo- und Ergotherapie, ortsansässigen Kindergärten und Schulen, Ärzten und Kinder- und Jugendtherapeuten. Neben ausgewogenen Alltagsangeboten veranstalten wir zusätzlich Ferienfreizeiten.
Elternarbeit
Das vorrangige Ziel der Intensiv- Kinderwohngruppe Steinfurt ist es, eine langfristige Unterbringung nach §34 KJHG zu verhindern.
Die erste Option ist dabei immer, Eltern zu befähigen ihre Erziehungskompetenzen zu erweitern um die Erziehungsverantwortung adäquat ausfüllen zu können. Der stärkste und potentiell gut zu modifizierende Risikofaktor, welcher zur Entwicklung kindlicher Störungen beiträgt, ist die Qualität der Erziehung durch die Eltern.
Die Mitarbeiter der Intensiv Kinderwohngruppe haben es sich zum Ziel gesetzt, die Ihnen anvertrauten Kinder und Eltern/Pflegeeltern gleichermaßen zu begleiten und zu unterstützen.
Da die Unterbringung bei uns zeitlich befristet ist, liegt ein besonderer Schwerpunkt unserer Arbeit auf der Perspektivklärung der Kinder und ihrer Familien. Hierbei ist der Ausgang offen gestaltet. Im Falle einer möglichen Reintegration wird intensiv mit den Eltern gearbeitet durch Kompetenztraining im Gruppenalltag, einer intensiven Elternarbeit durch regelmäßige Elterngespräche, Schulung durch Elternkurse etc.
Die intensive und zielorientierte Arbeit mit den Herkunftsfamilien wird im Schwerpunkt von der Gruppenleitung und zwei weiteren Mitarbeitenden geleistet, die über Zusatzqualifikationen im Bereich der Familien- und Elternarbeit verfügen. Für die Elternarbeit stehen gesonderte zeitliche Ressourcen zur Verfügung.
Vermittlung in Pflegefamilien
Kristallisiert sich eine Unterbringung in einer Pflegefamilie als Perspektive heraus, wird zielorientiert nach geeigneten Familien gesucht. Dies geschieht durch Zusammenarbeit mit dem einrichtungsinternen Pflegekinderdienst, sowie der Kooperation mit anderen Pflegekinderdiensten und schließt die Suche nach Patenschaften ein. Der Prozess wird intensiv und sorgsam mit Abschieden von den Herkunftsfamilien und der anschließenden Anbahnung begleitet.
Sind Kinder aufgrund ihrer Verhaltensweisen bisher schwer vermittelbar, gilt es zunächst durch eine zielgerichtete Arbeit mit dem Kind neue Verhaltensoptionen zu entdecken und zu festigen um so dem Kind neue Perspektiven in einer Ersatzfamilie zu eröffnen. Gleichzeitig können potentielle Pflegefamilien im Sinne eines „Praxisprojektes“ in der Gruppe Erfahrungen im Umgang mit entwicklungsbeeinträchtigten und verhaltensauffälligen Kindern sammeln. Kontakte werden auch hier begleitet und mit den Pflegeeltern reflektiert.
Erarbeitung einer Entwicklungsperspektive mit Eltern und Kind
In unserer Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und ihren Familien sind wir mit einer Vielzahl von ätiologischen, diagnostischen, therapeutischen und prognostischen Fragestellungen und Entscheidungen konfrontiert. Um hier adäquate Antworten zu finden, ist es notwendig, eine Reihe komplexer und sich teilweise auch widersprechende Informationen und Beobachtungen zu interpretieren und adäquate, individuelle Angebote zu initiieren.
Grundsätzlich erfolgt eine enge Begleitung der Eltern mit folgenden Inhalten:
- Anamnestische Erhebung
- Klärung der diagnostischen Fragestellung
- Klärung des elterlichen Auftrags
- Vorbereitung der Kontakte
- Begleitung der Kontakte
- Reflexion der Kontakte
- Erarbeitung eines individuellen Störungsmodells aus systemischer und verhaltenspädagogischer Sicht
- Erarbeitung weiterer Verhaltensoptionen im Umgang mit dem Kind
- Aufbau und Erhalt einer tragfähigen Beziehung zum Kind
Zusätzlich Angebote können u.a. sein:
- Besuch eines Elterntrainings
- Bindungspsychologische Beratung für Kleinkinder
- Familientherapeutische Interventionen
Grundlage der Arbeit ist zunächst der Aufbau einer vertrauensvollen und tragfähigen Arbeitsbeziehung zu den Eltern.
Die Arbeit mit den Kindern basiert auf folgenden Grundlagen:
- Aufbau einer tragenden und auf Verlässlichkeit bedachten Arbeitsbeziehung
- Diagnostische Abklärung des kindlichen Bedarfs
- Erarbeitung der Ziele des Kindes/ mögliche Ziele der Verhaltensmodifikation
- Gemeinsame Erarbeitung der Methoden für eine mögliche Zielerreichung
- Gemeinsame Reflexion der erarbeiteten und erreichten Ziele
- Gemeinsames Erarbeiten möglicher Störungskonzepte bezogen auf familiäre Prozesse aber auch auf die eigene kindliche Entwicklung.
Wesentlich zum Erfolg der Maßnahme trägt die Zusammenführung beider Entwicklungsstränge, d.h. der Arbeit mit den Eltern und den Kindern bei. Während zu Beginn der Unterbringung in der Regel eine hohe Verunsicherung herrscht und gemeinsame Kontakte für Kind und Familie u.U. eine massive Bedrohlichkeit aufweisen, wird im weiteren Verlauf darauf gebaut auf vorhandenen Ressourcen beim Kind und den Eltern aufzubauen. Die Annährung verläuft schrittweise, eng begleitet und unterstützt.
Im Rahmen der Unterbringung besteht die Möglichkeit, die eingeübten und erlernten Umgangsweisen auch geschützt auf den Alltag zu übertragen. Eine "Probewohnung" bietet der Familie die Möglichkeit, in einem etwas intimeren Rahmen neue Erfahrungen im "Alltag" miteinander zu machen. Auch hier erfolgt eine enge und individuelle Begleitung um die Entwicklung zu begleiten und reflektieren zu können.
Die Probewohnung bietet der Familie, durch die entsprechende Raumaufteilung, ein hohes Maß an Alltagsnähe. Ein zusätzlicher Besprechungsraum ermöglicht es den Fachkräften, den Prozess sensibel aber auch intensiv zu begleiten, ohne die Vertrautheit der Familie zu unterbinden.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Intensiv Kinderwohngruppe Steinfurt sind fachlich vielseitig ausgebildet. Neben dem Schwerpunkt der beraterischen Arbeit mit den Familien wird großer Wert auf eine Methodenvielfalt im Umgang mit den anvertrauten Kindern gelegt um auch hier eine optimale und zielorientierte Förderung initiieren zu können.
Die Mitarbeitenden zeichnen sich durch eine hohe Flexibilität und Kompetenz aus. Hierzu gehören die intensiven Erfahrungen durch die Arbeit in der Wohngruppe und die Schulung in unterschiedlichen Fort- und Weiterbildungen.